Umfragen zum UN-Kaufrecht

Nach Zahl und wirtschaftlichem Gewicht der Vertragsstaaten ist davon auszugehen, dass ca. 80 % des internationalen Warenhandels grundsätzlich dem UN-Kaufrecht unterliegt. Wir wissen aber wenig darüber, inwieweit die Vertragspraxis das UN-Kaufrecht ausschließt. Dieser Frage gehen unsere Studien nach.

Geltungsbereich des UN-Kaufrechts

Das UN-Kaufrecht regelt als Einheitsrecht den Abschluss und die Abwicklung internationaler Lieferverträge. Die Kaufrechts-Konvention, die Convention on the International Sale of Goods (CISG), ist 1988 in Kraft getreten, gilt in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit nunmehr über 25 Jahren und in aktuell 94 Staaten von Kanada, den USA, Mexiko und Brasilien über die meisten EU-Staaten bis nach Russland, China, Japan und Australien.

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Anwendungsbereich und Rechtswahl

Das UN-Kaufrecht gilt vorrangig vor dem nationalen Recht, sofern es nicht durch eine gültige Rechtswahl ausgeschossen wird. Nach Zahl und wirtschaftlichem Gewicht der Vertragsstaaten ist davon auszugehen, dass ca. 80 % des internationalen Warenhandels weltweit grundsätzlich dem UN-Kaufrecht unterliegt.

Forschungsinteresse

Wir wissen aber wenig darüber, in welchem Umfang die Vertragspraxis das UN-Kaufrecht auch heute noch ausschließt. Dieser Frage gehen unsere Studien seit längerer Zeit nach. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz haben wir mit zwei umfangreichen Umfragen 2004 und 2007 zahlreiche Hinweise zur anwaltlichen Praxis gewinnen können. Mit der CISG-Studie 2018 konnten wir aktuelle Erkenntnisse über das UN-Kaufrecht in der Anwaltspraxis in Deutschland, Österreich und der Schweiz gewinnen.

Die Daten gestatten einen Zeitvergleich wie auch einen Ländervergleich und damit auch Aussagen darüber, wie sich der Umgang mit internationalen Lieferverträgen in der Anwaltspraxis entwickelt hat.

Ausblick

Geplant sind weitere Untersuchungen zur unternehmerischen Praxis ohne anwaltliche Beratung sowie mittelfristig eine weitere Umfrage in der Anwaltschaft für einen weiter gestreckten Zeitvergleich.

Dazu ausführlich: 

Justus Meyer, UN-Kaufrecht in der deutschen AnwaltspraxisRabelsZ 69 (2005), 457-486

Untersuchungsdesign

In der CISG-Umfrage 2004 haben wir per Fax und noch einmal per E-Mail einen einseitigen Fragebogen an gut 4.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit Spezialisierung im „Internationalen Kaufrecht“, „Internationalen Vertragsrecht und Handelsrecht“ oder „Handelsrecht und Wirtschaftsrecht“ geschickt und gut 600 antworteten erhalten, was einer hervorragenden Rücklaufquote von fast 16,5 % entspricht.

Wesentliche Ergebnisse

Für die forensische Praxis ergab sich aus den statistisch verwertbaren Antworten: Bei jedem fünften Teilnehmenden kamen CISG-Fälle praktisch nicht vor, bei knapp der Hälfte machten sie höchstens 10 % aus. Dagegen unterlag bei 18 % der Antwortenden mindestens jeder vierte Fall dem UN-Kaufrecht.

Zu ihrer Vertragsgestaltung gaben 42,17 % an, das CISG ausdrücklich abzuwählen. Dem standen 7,74 % gegenüber, die das CISG regelmäßig ausdrücklich einbezogen. Dieses doch recht ernüchternde Verhältnis verschiebt sich allerdings, wenn man drei weitere Zahlen hinzunimmt. Erstens verzichten 4,45 % regelmäßig auf eine Rechtswahl und damit auf eine Abwahl des CISG. Zweitens lassen 9,09 % bei ihrer Rechtswahl das CISG unerwähnt, so dass  das CISG bei Wahl eines Vertragsstaats regelmäßig einbezogen ist. Zusammen ergibt sich damit ein Verhältnis von 42 % zu 21 %. Drittens gaben schließlich 30,56 % der Befragten an, über die Einbeziehung des CISG im Einzelfall zu entscheiden.

Zudem weisen verschiedene Antworten der Teilnehmenden darauf hin, dass sich die Einbeziehung des UN-Kaufrechts nach der Annäherung durch die Schuldrechtsmodernisierung eher anbiete. In diese Richtung weisen auch die zunehmenden Empfehlungen einer entsprechenden Rechtswahl in der Aufsatzliteratur und die Wachstumsraten in den Entscheidungsdatenbanken. Gemessen an dem düsteren Licht, das die meisten literarischen Einschätzungen seinerzeit auf die praktische Bedeutung des UN-Kaufrechts warfen, ergab sich damit ein helleres Bild. Wir konnten daher schon damals in der NJW melden: „Die Bedeutung des UN-Kaufrechts wächst“.

Dazu ausführlich: 

Justus Meyer, UN-Kaufrecht in der österreichischen Anwaltspraxis, ÖJZ 2008, 792 ff.

Justus Meyer, UN-Kaufrecht in der schweizerischen Anwaltspraxis, SJZ 104 (2008), 421 ff.

Untersuchungsdesign

In der CISG-Umfrage 2007 haben wir nach gleichem Muster 1.440 spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich und 2.639 in der Schweiz kontaktiert und ihnen den gleichen einseitige Fragebogen geschickt (der für die französisch- und italienischsprachigen Kantone übersetzt wurde). Wir erhielten 352 Antworten aus Österreich (Rücklaufquote: 24,44 %!) und aus der Schweiz 470 (17,81 %).

Wesentliche Ergebnisse

In ihrer forensischen Praxis kam bei zahlreichen Befragten das CISG praktisch nicht vor; die Anteile lagen höher als in Deutschland (AU: 24,9 %, CH: 29,2 %). Wie in Deutschland war die häufigste Antwort “ bis zu 10 % meiner streitigen Fälle unterliegen dem CISG” (AU: 50,2 %, CH 48,9 %). “Mehr als 25 %” oder gar “mehr als 50 %” gaben knapp 13 % (AU) und 10,5 % (CH) an. In Österreich war der Anteil derjenigen, die das CISG regelmäßig ausdrücklich abwählen, mit 55.2 % besonders hoch. In der Schweiz lag er mit 40,8 % etwas niedriger als in Deutschland und der Anteil der “Einzelfallentscheidungen” höher (35,8 %). Nimmt man die beiden Umfragen zusammen, so ergibt sich mit 8.116 Befragten und 1.485 Antworten die schon bisher größte empirische Studie zum CISG weltweit. Dank der fantastischen Rücklaufquote von zusammen 18,3 % lieferte sie für den deutschsprachigen Raum detaillierte Erkenntnisse auch zur Motivation der Teilnehmenden bei der Rechtswahl.

Auf den Punkt gebracht war nach den Verträgen der Teilnehmenden das CISG regelmäßig nicht anwendbar 45 %, CISG regelmäßig anwendbar 17 %, CISG teils anwendbar, teils nicht 32 %, keine Angabe 6 %.

Dazu ausführlich: 

Justus Meyer, Die praktische Bedeutung des UN-Kaufrechts in Deutschland, RabelsZ 2021, 357 ff.

Justus Meyer, Die praktische Bedeutung des UN-Kaufrechts in Österreich, öAnwBl 2021, 96 ff.

Untersuchungsdesign

Die CISG-Umfrage 2018 knüpfte an die beiden früheren Umfragen an und baut sie zu einer aktuellen und noch aussagekräftigeren Gesamtstudie aus, die auch die Entwicklungen seit 2004 einbezieht. Wieder wurden spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Der Fragebogen war wieder einseitig und gegenüber 2004/2007 nur leicht modifiziert, um einerseits möglichst viele Vergleichswerte zu erhalten und andererseits Punkte abzufragen, die sich aus den seinerzeitigen Antworten ergeben haben.

Um einen möglichst hohen Rücklauf zu erzielen, schrieben wir alle Teilnehmenden persönlich per Briefpost an und schickten kurz darauf eine E-Mail mit einem Link zur Umfrage. Die Teilnehmenden konnten den Fragebogen ausfüllen und per Post oder per Fax an uns zurücksenden oder den Link in der E-Mail anklicken und den Fragebogen direkt online ausfüllen. Sie konnten auch einen zugesandten Link anklicken, die persönliche Kennung aus dem Anschreiben eingeben und den Fragebogen ebenfalls online ausfüllen.

Wesentliche Ergebnisse

Nach den Ergebnissen von 2018 unterliegen die streitig verhandelten internationalen Kaufverträge überwiegend nicht dem UN-Kaufrecht, und der Anteil derjenigen, die regelmäßig eine Rechtswahlklausel mit CISG-Ausschluss verwenden ist sogar seit 2004 von 42,2 auf 52,9 % gestiegen. In Österreich und der Schweiz ist dieser Anteil ebenfalls gestiegen und liegt noch höher als in Deutschland. Viele Anwältinnen und Anwälte nehmen die Vorteile eines neutralen Rechtsregimes durchaus wahr. Den Unternehmen sind aber offenbar Rechtswahlklauseln, die ausschließlich das heimische Recht berufen, leichter zu vermitteln.

Umfrage zur Rechtsformwahl

Bei der Umfrage zur Rechtsformwahl bei Unternehmensgründungen handelt es sich um das Promotionsprojekt von Herrn Tommy Handke.

Eine zentrale Frage eines jeden Unternehmers ist die Wahl der „richtigen“ Rechtsform. Die vorliegende Untersuchung möchte genau diesen Prozess näher untersuchen und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren der Rechtswahl erforschen.  

Hierzu werden circa 5.000 Unternehmensgründer verschiedenster Rechtsformen angeschrieben und über deren Motivation bezüglich der Rechtsformwahl befragt. Die erhobenen Daten werden mithilfe einer „explorartiver Faktorenanalyse“ derart ausgewertet, dass sich Rückschlüsse auf mögliche latente Variablen ziehen lassen, die bei bloßer Betrachtung einzelner Merkmale nicht erkennbar sind.

Weiter Informationen zu Inhalt und Durchführung finden Sie auf der separaten Seite der Umfrage.

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Umfragen zur GmbH-Insolvenz

Aufbauend auf der Habilitationsschrift "Haftungsbeschränkungen im Recht der Handelsgesellschaften" befassen sich mehrere Forschungsprojekte mit der GmbH in der Insolvenz.

Judith Hermes

Die Haftungsbeschränkung wird als Grund für die große Beliebtheit der GmbH angesehen. Im Widerspruch dazu stehen Hinweise darauf, die Bedeutung der Haftungsbeschränkung nicht überzubewerten. Damit ist vor allem die Kreditsicherungspraxis angesprochen, bei der außerbetriebliches Vermögen zur Absicherung von GmbH-Krediten herangezogen wird. Aber auch die spezifischen haftungstatbestände des GmbHG und die Eigenkapitalersatzregeln können bei rechtstatsächlicher Betrachtung als Relativierung von Haftungsbeschränkungen verstanden werden. Die Arbeit geht der bislang weitestgehend ungeklärten Frage nach, inwieweit die GmbH-Haftungsbeschränkung rechtstatsächlich funktioniert und in welchem Umfang sie funktional ausgehebelt wird. Dazu wurde ein empirischer Untersuchungsansatz gewählt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Wunsch, mit der GmbH außerbetriebliches Vermögen abzuschotten, in der Wirklichkeit nur selten gelingt. Daran anknüpfend wird die Tauglichkeit der GmbH als »Allzweckinstrument« in Frage gestellt und ein alternativer Regelungsansatz zur Ermöglichung eines Wirtschaftens mit beschränktem Risiko diskutiert. Die Untersuchung wendet sich gleichermaßen an Praktiker und Wissenschaftler, die sich mit der GmbH und ihren Rechtsfragen beschäftigen.

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Anna Cleiß

Die GmbH ist nach ihrer Häufigkeit und ihren Umsätzen die wichtigste Unternehmensrechtsform und Gesellschaftsform in Deutschland. Auf die GmbH entfällt aber auch ein hoher Anteil an Unternehmensinsolvenzen. Besonders in den Transformationswirtschaften der neuen Bundesländer tritt die Insolvenzanfälligkeit der GmbH zu Tage. Diese statistisch belegte Problematik greift Anna Cleiß mit dem Fokus auf den Freistaat Sachsen auf. Sie untersucht den Verlauf der einer Insolvenz vorverlagerten Unternehmenskrise, die Merkmale der krisenhaften sächsischen Gesellschaften und die Ursachen der GmbH-Insolvenzen anhand einer eigener durchgeführten Expertenbefragung. Im Schlussteil nimmt sie eine Typisierung der sächsischen krisenhaften Gesellschaften mit beschränkter Haftung vor und diskutiert verschiedene rechtspolitische Lösungsansätze, vor allem die gesetzliche Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne.

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